Graphic Novels sind momentan angesagt. Jahrelang schlummerten unzählige Kleinode der grafischen Erzählung in Holzregalen linker Buchläden – wenn nicht in der Garage der Verleger. Nun haben die Comics ohne Helden Konjunktur. Auf http://www.graphic-novel.info/ haben sich drei Verlage zusammengeschlossen, um ihr besonderes Programm unter diesem Trendwort zu präsentieren.

Aber was ist eigentlich eine Graphic Novel? Das weis keiner, aber bei Moderworten ist eine Definition ja auch nicht immer notwendig. Der traditionstreiche Hamburger Carlsen Verlag bringt auch immer wieder Besondres wie Geschichten von der Currywurst oder packen die Monster des Alltags zwischen Buchdeckel.

Mit „Allein unter Allen“ gibt es mal wieder Vergangenheitsbewältigung. Miriam Katin musste als Kind mit ihrer Mutter 1944 vor den Nazis aus Budapest fliehen. Von Hunger und Vergewaltigung, aber auch zarter Liebe und dem seltenen Glück, den im Krieg vermissten Vater wieder zu finden erzählen diese Seiten. Ebenso zurückhaltend und naiv wie die Bilder präsentiert sich die Geschichte. Keine verhärmte Anklage, eher eine fast schon zu neutrale Schilderung der Ereignisse erwartet den Leser. Immer wieder taucht kurz das Thema Gott auf, wird aber nie näher betrachtet. Statt dessen geht die Flucht weiter. Das tut beim Lesen weh, aber es ist immer wieder ein notwendiger Schmerz.

Die wenigen eingeschobenen Szenen aus dem Jahr 1968 und später haben einen lockeren Zusammenhang mit der Flucht, geben der Erzählung aber keine zusätzliche Tiefe. So bleibt ein etwas zwiespältigen Eindruck zurück. Natürlich muss uns auch heute noch das Schicksal der Juden bewegen, aber ist dies der richtige Weg? „Allein unter Allen“ ist zu normal um packend zu sein und zu schnell um wirklich zu berühren. Natürlich darf man nicht von jedem Comic mit diesem Thema eine Weiterentwicklung von Spiegelmans Maus erwarten, aber für wen ist dieser Comic gemacht? Junge Leser wird man mit Adolf leichter an das Thema führen können und die älteren Leser haben schon einfallsreichere Abhandlungen und Aufbereitungen des Themas Welches Unglück hat Nazi-Deutschland angerichtet gesehen, gelesen und gehört.

Dennoch macht die Naivität der Geschichte die Autorin verwundbar. Da möchte man Trost spenden – was aber vielleicht gar nicht notwendig ist aber auf jeden Fall zu spät kommt, und die Schuldigen können sich heute fast nicht mehr entschuldigen. Vergessen oder verdrängen ist falsch, aber so wie man immer wieder neu auf Aids hingewiesen wird, was auch verdammt notwendig ist, so sollte auch Nationalsozialismus und Judenverfolgung immer wieder neu und zeitgemäß thematisiert werden. Da haben Pop-Punker die Ärzte einiges vorgelegt, vielleicht ein Comic in dem Darth Vader „Ich bin ein Nazi“ röchelt?

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