Der Krieg zwischen den staatstreuen Superhelden und den sich nicht anpassen lassen Wollenden ist am Ende dieses Comics erst einmal beendet. Wow, da hat Marvel mal wirklich zugelangt! Aus bekannten Zutaten wie ein Captain America, der sich nicht mehr mit seinem Staat identifizieren kann, der Tatsache, dass Superhelden eine Gefahr für eine „normale“ Gesellschaft sind, und dem Wunsch, eine neue große Superheldenklopperei auf den Markt zu bringen hat der größte amerikanische Comic-Publisher ein Epos geschaffen, das ganz im Stil der „Ultimativen“ Serien ein sehr erwachsenes Feeling mitbringt. Aber was ist mit der Aussage hinter den bunten Bildern?

Soll man sich zum Wohle der Regierungskontrolle in den Dienst des Staates begeben oder einer eigenen Moral in relativer Freiheit folgen? Wäre der Staat eine wirklich demokratisch gewählte Vertretung des mündigen Bürgers, währe die erste Option eine denkbare Alternative, aber die bedingungslose Unterwerfung unter ein oft mal korrupt erscheinendes Konglomerat, das durch bunte Luftballons und boshaften Beschimpfungen an die Macht gekommen ist? Sollte da ein Blick in die amerikanische - und nicht nur die – Realität nicht mal ein saures Aufstoßen auslösen? Besonders da die staatstreuen Helden um Tony Stark in diesem verlagsübergreifenden CrossOver durchweg positiver dargestellt werden. Okay, an dieser Stelle muss gespoilert werden. Captain America siegt fast über Iron Man, doch zu welchem Preis? New York liegt in Trümmern und die Bevölkerung überzeugt den Captain davon, auf der falschen Seite zu stehen. Moment?! Einfache Menschen überleben ganz in der Nähe einer Schlacht zwischen Superhelden und haben dann noch den Mut, persönlich einzugreifen? Das ist nicht nur bei uns, wo zwei üble Typen in einer U-Bahn einen Ausländer krankenhausreif schlagen können während 20 Leute tatenlos zuschauen, nicht vorstellbar – von zusammenbrechenden Hochhäusern und explodierenden Gasleitungen mal ganz abgesehen. Am Ende steht ein Isolationsgefängnis im Stil eines Konzentrationslagers als Errungenschaft da. Da sträuben sich nicht nur Peter Parker die Haare.

Marvel hat es diesmal anders gemacht, statt Liebe, Friede und Eierkuchen am Ende der Sieg einer faschistisch anmutenden Idee. Alleine Parkers Abkehr von dieser Idee lässt hoffen, dass sich das Marvel Universum in näherer Zukunft ändern könnte. Auch die Zweitstory um den das ganze Schlamassel auslösenden Speedball hat dasselbe Geschmäckle. Klar ist der junge Held zerfressen von Schuldgefühlen, schließlich hat er das Leben von 612 Menschen auf dem Gewissen, aber ist Selbstkasteiung der richtige Weg aus dieser psychologischen Krise? Nachdem sich Speedball in eine innen und außen von Nägeln gespicktes Kostüm steckt, betritt ein neuer Held das Marvel-Universum: Penance ist geboren. Während Steve McNiven seine Job als Zeichner der Hauptserie klasse und für das Thema schon fast zu schön gemacht hat, sehen Bachs Bilder der Zweitstory sehr grob aus. Er lässt weinende Menschen wie Karikaturen wirken. Aber dennoch oder vielleicht gerade deswegen hinterlässt Speedballs letzter Auftritt enorm Wirkung beim Leser. Selten war Marvel so eindringlich wie hier – aber mit welcher Aussage?

Civil War ist ein herausstechendes CrossOver. Nicht die übliche galaktische Bedrohung und das gemeinsame Wirken der Helden, das schließlich zum Sieg des Guten führt. Das ist keine Kinderunterhaltung mehr. Zu einfach kann man diesen Comic als Anleitung zum Elitedenken, zur Rechtfertigung der Diktatur derer, die es besser wissen als die Massen, gesehen werden. Was soll man jetzt von Civil War halten? Ist er eine bunte Aufforderung, dem amerikanischen Ruf zu den Waffen zu folgen? Natürlich ist diese Verknüpfung zwischen Konsumware Comic und der in der Krise steckenden Politik ein Stück Verschwörungstheorie – aber ist das so abwegig? Und natürlich gilt auch heute noch das Prinzip von „Brot und Spiele“, also der Ablenkung der Massen von selber denken, um sie so lenkbarer zu machen. Auch wenn es sich herausstellen sollte, das hier nur mit diesen Ideologien gespielt wurde und am Ende doch der gute, selbstdenkende Mensch und Held gewinnt, die KZs geschlossen werden und so weiter; selbst dann bleibt das unkommentierte Obsiegen der entmündigenden Ideologie zweifelhaft. Wie im echten Leben sollte man weniger Angst vor laut pöbelnden Idioten Angst haben als vor den intelligenten leisen Stimmen, die einem einreden, das die Entmündigung der ahnungslosen Masse der richtige Weg sein und besser, als die Ahnungslosen mit Wissen zu versorgen.

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