Hier und da haben wir schon darauf hingewiesen, dass es für die Freunde der sequentiellen Kunst ein besonderes Magazin aus der Schweiz mit Namen Strapazin gibt. Die Vielseitigkeit des hier Gezeigten ist einzigartig. Erneut wollen wir -weil begeistert - das an dieser Stelle anhand der Nummern 64 und 65 darstellen.

Was ein Glück, dass genau in der Heftmitte die Geschichte "Nachruf auf einen Feigling" ist, sonst würde man die Starpazin 64 nicht als Comic-Magazin erkennen. Denn der Gegensatz - oder das Zusammenspiel - von Wort, Text, Grafik und Bild sind das Thema dieser Ausgabe. Eigentlich sollte das Erzählen in Bildern im Vordergrund stehen. Dass daraus dann ein so gegensätzliches Heft wurde, hat sogar die Macher erstaunt. Denn es gibt viele Nur-Text-Seiten, manche Viel-Text-mit-ein-Paar-Bildern-Seiten und, fast wie um den Gegensatz noch zu betonen, auch rein grafische Seiten. Besonders die schon erwähnte Geschichte "Nachruf auf einen Feigling" macht die unterschiedlichen Formen des Erzählens transparent, denn sie ist sowohl als reiner Text, wie auch als Comic erzählt. Für den Comic-Part zeichnet Kleist verantwortlich. Seine harten Bilder erzählen eine sanfte Geschichte mit heavy Ende. Umfasst werden die sechs Comic-Seiten von der gleichen Geschichte in Textform. Ebenso packend und einfühlsam. Es beginnt wie gesagt mit dem ersten Teil der Text-Variante. Bilder entstehen im Kopf, Gefühle sammeln sich im Magen. Dann kommt Kleists Version. Das lässt den Vergleich zwischen den Bildern im Kopf und denen im Comic zu. Nachdem der Comic die Geschichte fertig erzählt hat, folgt der Schluss in seiner Textform. Wieder ein Vergleich, diesmal, ob die Bilder auch alles erzählt haben, oder ob die Auflösung eine andere Wertigkeit hat. Allein diese Möglickeit beide Formen des Erzählens parallel zu erleben, machen für mich das Heft spannend.

Doch wir sprachen von Vielseitigkeit. In Nummer 65 gibt es Comics in ihrer puren Form. Aber wie immer ist auch diese Aufgabe etwas Besonderes. Alle Geschichten wurden hier von einem Autor geschrieben, jedoch von unterschiedlichen Künstlern umgesetzt. Von Chris Scheuer sah man ja lange Zeit nichts mehr, warum, das wird in der Vorstellung des Künstlers erzählt. Ulf K. kennen wir aus der Edition 52 genau wie Uli Oesterle. Massimo Milano hat einen leichten krakeligen Strich und erinnert ein wenig an Munoz. Martin Baltscheit knallt mit seinen grotesken, an Wahnsinn erinnernden Bildern aus der Riege der eher traditionellen Zeichner heraus.

Bis auf die Seiten von Letzterem kann man diese Strapazin-Ausgabe fast jedem Comic-Leser an die Hand geben, ohne erstaunte Reaktionen zu provozieren. Klar kann vor allem Scheuer durch seine sehenswerten Titten ein breites Publikum für sich einnehmen. Dagegen schafft Milano was Scheuer hier nicht vermag: Emotionen zeigen. Da wird der Angstschweiß des gefesselten Privatdetektivs fast riechbar. Herrlich ist der biedere Ton der Zeichnungen von Ulf K. Im klassischen 3 x 3 Panel Layout löste ein 08/15 Büroangestellter das größte Rätsel überhaupt: Wie gewinnt man das Herz einer Frau (und ich dachte immer, eine Frau zu verstehen wäre das größte Rätsel). Trotz des Herz-Schmerz-Themas fast klinisch steril und dennoch bitter-böse.

Damit dieser jhgzp_content nicht zu einer reinen Werbung für das Magazin wird, hier ein Wermutstropfen: Der Spaß an der Abwechslung ist teurer geworden, es sind nun sechs Euro statt bisher zehn Mark zu berappen, abzudrücken, locker zu machen ...

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