Briefe an einen toten Freund? Ein eher makaber anmutender Titel. Doch stellen sich fast zwangsläufig Assoziationen ein. Verlust - Zu Spät – Ein nicht gewollt beendetes Gespräch. Kommt jemand bei einen Titel wie "Spider-Man gegen die Echse" auf bleibende Gedanken? Soll er auch nicht - aber hier soll er eben!

Vier Geschichten mit vier unterschiedlichen Gesichtern. Zuerst ein spielerisch anmutender Einstieg. Ein Kind schreibt seiner Tante. Die stirbt, bevor der Brief seine Adressatin erreicht. Das Kind kann nicht glauben, dass die Tante aus dem Leben gegangen ist, und ein Herz über dem Mädchen zeigt, dass die geliebte Tante immer bei ihr ist. Das letzte Bild enthüllt den autobiographischen Aspekt der Geschichte. Kindlich süß, verklärt und harmonisch.

Dann hämmert Desillusioniertheit und Dekadenz. Auf dem Klo sitzend, scheißend, ein kleiner Blick in eine nicht ganz so nette Welt. Wem soll er schreiben? Der Pornodarstellerin? Dem Präsidenten, den er auf den elektrischen Stuhl wünscht? Eigentlich hat er keine toten Freunde. Eigentlich hat er keine lebenden Freunde. Harte Geschichte mit holzschnittartig harten Bildern. Erst im Kontrast lebt der Mensch und Kontrast geben die beiden ersten Geschichten genug.

Es folgt ein Gespräch – kein Brief – mit einer toten Freundin. Die traditionellsten Seiten dieses Bandes. Im Vergleich haben diese Strips Mainstream-Qualität. Ein ordentlicher Seitenaufbau mit klar gegliederten Paneels und detaillierte Bilder. Ein grober Strich mit eigener Handschrift. Sehr deutsch - traurig – melancholisch. Sogar ein kleines Lächeln kommt auf, als die Hauptperson in den Plattenladen geht und sich schämt, eine ACDC Platte zu hören.

Schlussendlich die asiatische Version des Titels. Die Zeichnerin (?) zeigt sich bei der Arbeit mit dem Titel. Sie sucht einen Adressaten ihres fiktiven Briefes und geht in die Welt hinaus. Schon nach den ersten Schritten füllen die ersten Ideen ihren Beutel. Der wird immer voller und voller und voller, bis er zu voll (zu bedrückend) ist und die Welt unbegreifbar macht.

Doch es sind immer wieder die kleinen Geschichten rund um ein Buch, die es mit Leben füllen. "Letter to a dead Friend" war Anfangs nur eine fixe Idee. Ein Verleger, Marcello Pirrone, wollte unterschiedliche Zeichner, die sich bis dahin noch nicht kannten, zusammenbringen, Austausch provozieren, Kommunikation erzwingen. Das Konzept: Ein fester Titel und sonst nichts. Aus produktionstechnischen Gründen kam dann noch eine festgesetzte Seitenzahl und Farbigkeit dazu. Es entwickelte sich ein reger Austausch zwischen den Künstlern. Die Koordination übernahm Sabine Witkowski, die noch nicht wissen konnte, was auf sie zukommen würde. Aus der Kommunikation wurden feste Kontakte und sogar Freundschaften, so entstanden schließlich die vier Geschichten in diesem Band.

Man muss die Storys nicht unbedingt verstehen wollen, wer versteht schon den Tod? Aber man kann sie auf sich wirken lassen, sie als Anstoß nehmen, selbst zu denken. Wenn jetzt Mancher sagt, das kann ich auch, hervorragend! Machen! Das wäre mehr, als sich der Initiator des Projektes gewünscht hatte. Aber die Geschichte hinter den Geschichte hat noch eine menschliche Pointe. Marcello Pirrone war im Laufe der Entstehung von "Letter to a dead Friend" zu stark in andere Aktivitäten verstrickt, so dass er eines Morgens bei der Koordinatorin Sabine Witkowski anrief und sie zum Essen einlud. Nach dem Essen war Frau Witkowski satt und neue Besitzerin eines Verlages. Eine Aufgabe mehr im Leben der der grafisch erzählenden Kunst verschrieben Frau – wir wünschen viel Erfolg!

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