Earth X - das ist das derzeitige Prestige-Projekt des Marvel-Verlages in Amerika. Anspruchsvolle Story, viele Superhelden und ungewöhnliche Zeichnungen heißt die Zauberformel. Als Mastermind im Hintergrund konnte man das Zeichengenie Alex Ross (Marvels, Kindom Come) verpflichten.

Der Papst der Ölbilder-Comics legte sich dann auch kräftig ins Zeug und ersann eine epische Geschichte, in der der Sinn des Lebens und der Superhelden im Besonderen neu definiert wird. Es beginnt mit dem Erwachen Aaron Stacks, dem Comic-Leser besser als Machine Man bekannt (der diesen Monat einen Gastauftritt in Rächer #1 hatte). Er wird von Uatu, dem erblindeten Beobachter der Menschheit, dazu verdonnert, dessen neue Augen zu sein. So findet sich der nach Menschlichkeit eifernde Roboter (das Enterprise-Crew-Mitglied Data entstand übrigens später) auf dem Mond in der Residenz des Beobachters wieder und erlebt die Schöpfungsgeschichte, wie sie Uatu aufgezeichnet hat.

Schon hier begegnen wir einigen Helden des Marvel-Universums. Conan, einige hierzulande eher unbekannte Cowboys (Two Gun Kid und Lone Raider - wer liest schon Western außer Leutnant Blueberry?), die Flamme, Captain Amerika, Namor, Bucky, die Spinne, die Fantastischen Vier, den Hulk, Daredevil, die Rächer, Captain Marvel, den Silver Surfer und so weiter. In diesem Prolog greifen die Helden noch nicht in das Geschehen ein, sie sind eher Spielfiguren auf einem größeren Spielfeld. Die schon aus "Die Rückkehr der Helden" bekannten Celestials spielen auch hier eine entscheidende Rolle. In einer ruhigen, fast fließenden Art und Weise entwickelt sich eine religiös anmutende Geschichte. Was für ein "normales" Superheldenheft der Todesstoß wäre, wird in Erde X zum Thema und in Amerika zum Erfolg. Obwohl es in den folgenden Heften nicht an Kämpfen mangelt, bleibt der Leser stets distanziert. Neben den Handlungen auf der Erde wird eine zweite Handlungsebene entwickelt die galaktische Ausmaße hat. Ross gelingt es, beide Stränge zu kombinieren und gemeinsam weiter zu entwickeln.

Seit "The Dark Knight Returns (Die Rückkehr des dunklen Ritters)" ist klar, dass es in Amerika ein älteres Comic-Publikum gibt, das zwar mit Superhelden aufgewachsen ist, aber dennoch gute Geschichten zu schätzen weiß. Die damals ungewohnten Zeichnungen von Miller und Janson konnten den Erfolg der Serie nicht verhindern und gelten heute als Klassiker.

Auch bei Erde X setzen die Macher bei Marvel auf diese Kombination von guter Story und besonderen Zeichnungen. John Paul Leon verleiht den Bildern eine melancholische Düsternis. Obwohl weit jenseits der üblichen bunten und modernen Zeichnungen sind die alten Helden sofort wieder zu erkennen. Hätte man auf einen "Hausstil" einer bestimmten Serie zurückgegriffen, wäre es zum Beispiel eine X-Men Geschichte mit weiteren Helden geworden. Da ein den Marvel-Comics bislang fremder Stil (er erinnert an die kurzlebige aber dennoch empfehlenswerte Serie Gemini Blood bei DC) gewählt wurde, gelingt der Eindruck eines homogenen Universums, in dem alle Helden gleichwertig nebeneinander agieren können.

Das Heft hat einen Karton-Einband und Rückenverleimung und wirkt besonders durch den partiellen Glanzlack hochwertig. Die Bedeutung des europäischen Marktes scheint bei der amerikanischen Mutter Marvel und beim Panini Verlag erkannt worden zu sein: Musste man früher Jahre bis zur deutschen Veröffentlichung eines Highlights aus Übersee warten, ist Earth X schon auf deutsch verfügbar, obwohl die Serie in Amerika noch nicht einmal abgeschlossen ist.

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