Wer ein langweilige Fortsetzung der bunten Abenteuer des leichtbekleideten Fräuleins aus dem All hofft, wird herb enttäuscht. Doch nicht jede ent-täuschung ist negativ. Das Wort an sich bedeutet, dass ein Vorurteil überdacht werden muss - eine Täuschung also aufgehoben wird. Genug der Wortklauberei.

Hier wird man angenehm enttäuscht. "Das Räderwerk" entpuppt sich als die Wiedergeburt des sozialkritischen französischen Science Fiction Comics. Nävis hat diesmal kaum Gelegenheit, ihre im ersten Band dominierenden knackigen Brüste zu zeigen. Der Raumschiffverband Sillage bemerkt auf einem Planeten eine unnatürlich schnelle Evolution der einheimischen Spezies, den Püntas. Nävis soll diesem Phänomen nachgehen, Informationen sammeln und herausbekommen, was in dem Werk unter dem der Eissteppe verborgen liegt. Sie landet mitten in einem Bürgerkrieg. Die arbeitenden Massen werden von einer handvoll gebildeter Peers regiert. Wer zu neugierig ist verschwindet. Das weckt den Zorn der Massen. Wie es das unumstößliche Gesetz der Abenteuergeschichten so will, begegnen sich beiden Hauptpersonen, namentlich Nävis und der Rebellenführer, und beginnen eine Beziehung. Nävis kämpft gegen die Regierung und lernt die allgemeine Verachtung der Bevölkerung, egal ob Peer oder Arbeiter, gegenüber den Püntas kennen. Letztendlich lüftet Nävis das Geheimnis der Welt und muss einen plötzlichen und unerwarteten Verlust hinnehmen.

Die Zeichnungen sind kantiger geworden. "Verborgene Gedanken" (Band zwei) sah wie eine Studie in Grafik-Design aus - rund, verspielt und leicht verdaulich. Hier gibt es ungerade Mauern, fleckiges Metall und grimmige Embryonen.
Passend zum Thema sind die Farben dieses Bandes gebrochen und kalt. Die knalligen Rot-Töne der beiden Vorgängeralben sucht man vergebens. So erscheint diese Geschichte gleich in einem anderen Licht, das vor allem viele Grautöne zulässt. Selbst bei der Schilderung der Protagonisten gibt es vorwiegend Grautöne.

Kein Gut oder Böse, wie im richtigen Leben sind alle etwas von beidem. Nur die Figur des Princhard kommt enorm schlecht weg. Obwohl er eine Grundformel der realen modernen Gesellschaft formuliert: "[...] das man sich nicht in die Politik einmischen soll. Das bringt nichts. Was zählt ist die Freiheit." Freiheit als Privateigentum außerhalb des gesellschaftlichen Lebens. Nur Dinosaurier wie Heidi Kabel können noch sagen, das wer lebt, auch politisch sein muss. Diese geradezu aggressive Aufforderung zum Mitgestalten des Lebens ist einer mondänen Gelassenheit gegenüber den Missständen in dieser Welt gewichen. Was ja der angeborenen Faulheit der Spezies Mensch angemessener ist. Da scheint doch die Serie "Valerian und Veronique" auch zeitgemäßer zu sein. Von den ehedem politischen engagierten Geschichten hat man sich bei Mezier und Christin verabschiedet und produziert nun Unterhaltungslektüre zum einschlummern. Sillage hat noch nicht das hohe Niveau der frühen Alben dieses Klassikers, ist aber dank der Vielschichtigkeit lebendiger und nachdenkenswerter Zeitvertreib. Ein weiteres Merkmal der guten alten Comic-Alben-Zeit wird bei Sillage scheinbar großgeschrieben: Obwohl schon der dritte Band kann man sich dieses Abenteuer eigenständig durchlesen. So hat man nach 54 Seiten Comic eine abgeschlossene Geschichte erlebt und muss nicht ein Jahr auf eine möglicherweise ebenso unbefriedigende wie unabgeschlossene Fortsetzung warten.