Wird Tardi alt? Im Alter, so sagt man, lässt das Streben nach Aggression nach. Gut, man wird manchmal wunderlich oder auch unberechenbar, aber irgendwie ruhiger und weniger extrem. Bisher kannte man Tardi von Adeles Abenteuern oder seinen Kriegsgeschichten her. Die einen extrem abgedreht, die anderen erschreckend konsequent in Handlung und Bildersprache. Auf den ersten Blick scheint "Abwärts" mit der Welt im Reinen zu sein. Bunte Bilder aus den Krankenhaus-Vorabend-Serien des Werbefernsehens. Hier mal ein niedliches Tier, dort ein bisschen nackte Haut - massenkonform.

Wird Tardi alt? Einer panischen Angst gleich beginnt man sich nach der eigenen Verflachung zu fragen: War ich nicht mal Revolutionär? Egal, hat man die DM 35 bezahlt, schlägt man das Buch jetzt nicht wieder einfach zu. Man beginnt mit dem Lesen - ordentlich, Seite für Seite. Die farbigen Balken auf dem Schmutztitel (Fachwort für die ersten Innenseiten - mal wieder was gelernt) wirken psychedelisch und doch aufgeräumt. "Abwärts - Den Gefeuerten, Den Freigesetzten (Übersetzungsmissgeschick für Ausgesetzte oder mehrdeutig? [mehrdeutig wird den Leser noch des öfteren bei dieser Lektüre beschäftigen]), Den Gesundgeschrumpften, Den Verschlankten, Den Umstrukturierten, Den Fusionierten, Den Globalisierten, Kurz, all denen, die man ausgezählt hat. Kritik so brutal wie in Tardis Kriegsgeschichten, diesmal zeitgenössisch.

Starke Frauen dürfen alt werden (Inge Meisel, Tardi auch?), und so ist der Hauptkommissar eine alte Frau und verwirrt mit Ihren zusammenhangslosen Gedanken. Justin ist der "Neue", der sich beweisen muss. Aber der telefoniert nur. Wenigstens mit der wesentlich attraktiveren zweiten weiblichen Hauptperson, Lili. Sie ist Tierärztin, hübsch, schlau und hie und da nackt (massentauglich). Und schon sind wir mitten drin in Tardis/Pennacs Welt voller Gags (der Tiger, der das Tiger-Baby dauernd fressen will, weil es ihn nervt), stereotypischer Gestalten wie dem Hauptmann, die sich dann doch irgendwann mal von ihrem stereotypischen Verhalten verabschieden und natürlich einem massentauglichen Mord.

Es scheint, der erste Schein hätte getrogen. Diese Geschichte ist so normal, wie eine gute Folge Kottan ermittelt.
Die Geschichte ist 75 Seiten lang und erzählt mehr als 2000 Seiten eines alltäglichen Mangas. Immer wieder lullt die Geschichte geschickt ein, nur um mit einer abstrus wirkenden Wendung zwischen typisch Tardi und typisch Werbefernsehen umzuschalten. Herrlich unlogische Erklärungen passen und bilden ein funktionierendes Lügengebäude, das mit Logik nicht umzustürzen ist. Wer war der Arbeitslose im leeren Affenkäfig? Ein Aktions-Künstler, der die Welt in einer Aktion auf Missstände hinweisen will? Oder ein Opfer eines perfide inszenierten Mordes wegen der immer alten Motive Liebe/Hass oder Gier? Wieso kommt Lili mit der plakativen Unbekümmertheit ihres Liebhabers zurecht? Wer spielt mit wem (Oh Gott, es wird doch keine Ablegerserie von Gute Zeiten - Schlechte Zeiten sein) und warum?

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