Der Titel verwirrt und die Cover der ersten fünf Alben der Serie leisteten der Irreführung, dass es sich hier um eine Sammlung von hübschen Bildern ohne Handlung handeln würde, auch noch Vorschub. Aber statt der möglichen Spint-Tapete handelt es sich bei den Alben des Künstlerteams Philippe Berthet (Zeichner) und Yann Lepennetier (Autor) um eine klasse Agentenstory.

In Band neun hat die wunderschöne Dottie schon einiges hinter sich. Aktuell steht sie ganz oben auf der Abschussliste des Mafia-Mannes Gus Greenbaum. Der würde sich zu gerne persönlich bei der Heldin dieser Reihe für seinen halbjährigen Knastaufenthalt „bedanken“, muss das aber leider einer schönen und unbarmherzigen Frau überlassen. Die fliegt nach Hawai, wo Dottie vermutet wird. Da ist unsere Heldin auch und ärgert sich mit betrunkenen Mitarbeitern und durchgedrehten Einheimischen rum. Da sind die Giftschlangen, mit denen sie sich ihr Leben verdient eher Arbeitsmaterial statt Ärger oder Gefahr.

Was diesen Comic vom Gros der aktuellen Publikationen unterscheidet ist, wie unvermutet sich die Geschichte entwickelt, dabei immer nachvollziehbar und ganz krimitypisch, alle Handlungsstränge irgendwie am Ende verbindet und auflöst. „Gift“ ist ein wohltuend altmodischer Comic. Auch Serieneinsteiger können die Geschichte mit Genuss lesen. Das ist leider auch bei franko/belgischen Produktionen mittlerweile keine Selbstverständlichkeit mehr.

Es beginnt blutig und endet fast harmonisch. Zwischen dem Beginn und dem Ende liegt ein 46-seitiger Rückblick. Dabei werden Themen wie die japanische Mafia, ein Kriegsverbrecher, renitente Maori, seltsame hawaianische Sitten, viele Tattoos und unsere hübsche Heldin ins recht einfach gezeichnete aber immer wirkungsvoll designte Licht der Comicwelt gerückt. Das ist die Kunst des Zeichners, in den richtigen Strichen die Geschichte zu erzählen. Dabei lässt er seine Frauen wie zu schnell gezeichneten Moebius aussehen und seine bösen Jungs scheinen wie aus der Feder des Zeichners Magnus zu stammen. Die Kolorierung von Dominique David wirkt an wenigen Stellen zu bunt und schwankt zwischen eher kühlen Photoshop-Farbverläufen und harten Farbschatten à la "Die Simpsons". Aber das sind dann auch die einzigen negativen Kritikpunkte.