Nach der Lektüre dieses Bandes ist man erst einmal sprachlos. Der historische Hintergrund und die vermittelte Atmosphäre sind einfach überwältigend.

Es ist Ende März im Jahr 1871. Die Franzosen haben gegen die Deutschen verloren, in Frankreich herrscht Aufruhr. Premierminister Thiers schließt mit den Siegern einen Waffenstillstand um mit seinen Truppen im eigenen Land für Ruhe zu sorgen. Das lässt sich die Pariser Bevölkerung nicht gefallen, sie stellen sich gegen die eigenen Truppen. Barrikaden werden errichtet.

In diesem Durcheinander geht das Leben weiter. Die Geschichte führt den Leser durch dir Pariser Nobelbordelle und Proletenpuffs, durch verdreckte Straßen und an blutige Barrikaden.

Die Geschichte vor diesem Hintergrund ist verschlungen: Da ist der Soldat Trapagnan; er verweigerte die Herausgabe der Pariser Kanonen an die Regierungstruppen und wurde so zum Held der Revolution. Er verliebte sich unsterblich in die Prostituierte Pucci, was deren Liebhaber und Gangsterboss gar nicht gefällt. Auf seinen Kopf hat es noch der Ex-Notar Grondin abgesehen. Der liegt aber mehr tot als lebendig in einer schäbigen Hütte am Rande von Paris.

Aber das sind bei weitem nicht alle Gestalten, die in diese spannende und sehr französische Geschichte verwoben sind. Irgendwie hängen sie alle zusammen und es ist faszinierend, wie alle Handlungsstränge immer wieder zusammenkommen.

Wirklich großartig werden Tardis krakelig anmutende Bilder, wenn er das Zeitgeschehen dokumentiert. Die Revoluzzer auf den Barrikaden oder das Volk im Jubel, wenn ein Monument der verhassten Ex-Regierung fällt. Die Fülle dieser Bilder stoppt den Lesefluss, was aber die enorm tiefe Atmosphäre dieser Geschichte ausmacht.

Und irgendwie sind alle Figuren weder gut noch böse. Alle haben sie ihre nachvollziehbaren Gründe und Helden sucht man hier vergebens. Trapagnan ist ein verliebter Trottel. Aus Lust versehentlich zum Helden geworden und nun blind ins Unheil rennend. Grondin ist von Hass zerfressen und dennoch liest man gespannt weiter um zu erfahren, wie er in diesem Krieg überleben wird. Nur die Liliputanerin, die sich der Chancenlosigkeit ihrer Liebe zu Trapagnan bewusst ist, erhält ein Happy End, bevor sie todesgewiss in die Schlacht um Paris zieht.

Immer wieder überrascht dieser Comic mit seinen ungewöhnlich lesbaren politischen Aussagen. Keine Spur von trockener Intellektualität.

Ebenso beeindruckend ist, wie das Leben in Kriegswirren weitergehen kann. Da sitzen die Menschen in den geöffneten Cafés, während einige Straßen weiter ihre Nachbarn auf den Barrikaden überrannt werden.

„Die Macht des Volkes“ ist ein überwältigendes Stück Geschichtsunterricht, das an keiner Stelle langweilig wird. Es ist eine aberwitzige Geschichte über die Dummheit des Menschen und über die Liebe. Es ist vielleicht ein Stück zu Französisch oder für einige zu sehr Tardi – also zu grob in den Bildern. Aber dieser harte Blick auf eine harte Zeit ist angemessen und sicher auch nötig. Dabei ergeht sich dieses Comic nicht in Voyeurismus oder Blutlust, es balanciert genial zwischen allem Menschlichem und kann dabei unterhalten.

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